Aus dir wird doch eh nichts
Ich weiß noch ganz genau, dass Mama mir, schon seit ich ein Teenager war, erzählte, wie andere zu ihr gesagt hätten, dass aus mir doch sowieso nie etwas werden könne, dass es sich gar nicht lohne, mich zur Schule zu schicken, damit ich nur zuhören solle, was da erzählt wird. Gleich am Anfang, nach meiner Erkrankung im Alter von 1,5 Jahren, bot man meinen Eltern an, mich wegzugeben, da aus mir ja eh nichts mehr werden würde. Doch meine Eltern waren mutig und gaben mich nicht fort. Dafür bin ich ihnen ewig dankbar!
Auch in der Schule sagten viele, dass aus mir nichts wird. Besonders gut erinnere ich mich an einen Jungen aus der Grundschule, der darüber lachte, wie ich aussah und wie ich lief und auch über meinen Rollstuhl. Seinetwegen wollte ich oft gar nicht zur Schule gehen. Damals wusste ich noch nicht zu wem, aber ich betete oft, dass unser Auto kaputt gehen möge, damit Mama mich nicht zur Schule bringen könne. Es war selten, aber ab und zu klappte es. Das waren fröhliche Tage, denn ich wurde nicht ausgelacht. Ich lernte gern, aber der Spott war schwer zu ertragen, obwohl ich meinen Eltern zu Hause, und wohl auch mir selber, einredete, dass ich stark sei und es mir nichts ausmache. Doch es machte mir etwas aus. Das Gefühl, dass aus mir nichts werden würde, wurde immer stärker.
Nach der 9. Klasse zogen wir nach Riga um. Ich machte Abitur und schrieb mich an der Uni ein. Ich war fleißig. So wollten ich und meine Eltern der Welt beweisen, dass ich auch im Rollstuhl studieren kann, dass ich nicht anders bin, als die anderen. Doch das Gefühl, dass aus mir nichts wird, blieb. Ein Grund dafür, dass ich studierte, war, dass ich dieses Gefühl loswerden und der Welt beweisen wollte, dass ich es kann. Im ersten Jahr an der Uni lernte ich einen Jungen kennen, der mir Fragen zum Sinn des Lebens und meinem Glauben stellte. Damals war ich nicht sicher, woran ich glaube, nicht einmal, ob ich an mich selbst glaubte. Dann erzählte er mir von Jesus und nahm mich mit in die Kirche. Die Worte des Priesters über Gott, der mich bedingungslos annimmt, trafen mich direkt ins Herz. Ich verstand, dass Gott mich so liebt, wie ich bin, dass Er für meine Sünden gestorben ist und für meine Sünden bezahlt hat, nicht, weil ich irgendetwas erreicht hätte, sondern, weil ich Sein Kind bin und in Seinen Augen wertvoll bin, genauso wie ich bin. So steht es in der Bibel, Psalm 139, 13-14: „…Du hast mich geschaffen - meinen Körper und meine Seele, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet;“ und im Johannesevangelium 3:16: „Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun werden alle, die sich auf den Sohn Gottes verlassen, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben.“ Ich weinte vor Glück! Endlich nahm mich jemand so an, wie ich war, und ich musste Ihm nichts beweisen!
Nach Außen veränderte sich kaum etwas. Ich studierte weiterhin. Doch in mir veränderte sich etwas, meine Einstellung änderte sich. Ich begann, mehr Spaß am Leben zu haben, an meinem Studium und an mir. Später engagierte ich mich in der christlichen Studentenbewegung „Agape“. Dort begann meine Reise von „aus dir wird doch eh nichts“ hin zu „du bist bereits liebenswert und wertvoll“. Ich befinde mich immer noch auf dieser Reise. Jeden Tag muss ich mich dazu entscheiden, an mich zu glauben und in dem Bewusstsein zu leben, dass Gott mich wertschätzt, und nicht mit dem Gefühl „aus dir wird nichts“. Doch jetzt kenne ich die Wahrheit, ich weiß, welche die richtige Entscheidung ist, auch wenn ich mich immer wieder selbst daran erinnern muss. Natürlich gibt es auch Tage, an denen alles wie früher zu sein scheint und alles schwierig ist, doch ich weiß, was ich dagegen tun kann. Ich bin nicht mehr so schwach und verwundbar, denn ich habe Ihn, der mir Kraft gibt. Eine Sicherheit und Überzeugung sind in mein Leben getreten, die ich vorher nicht kannte. Hast du ähnliche Herausforderungen bewältigt?
Wenn Du Fragen hast, kannst Du mir gern schreiben. Ich werde gern meine Erfahrungen mit Dir teilen.