Aber bitte nicht als Missionar nach Japan!
Aber bitte nicht als Missionar nach Japan!
„Wenn Sie etwas erreichen wollen im Geschäftsleben, dann ist dieser Job der richtige für Sie. Wenn Sie aber daneben auch noch etwas erreichen möchten, dann können wir ihnen diese Stelle nicht empfehlen.“ Endlich schien ich am Ziel angekommen zu sein. Ich war aus 30 Absolventen der Universität St. Gallen für diesen Traumjob in der amerikanischen Firma ausgewählt worden – mit doppelt so hohem Lohn wie die anderen Stellenangebote – als mich dieser beiläufig erwähnte Satz des Firmenchefs wie ein Hammer traf. War ich bereit, der Karriere und dem hohen Lohn zuliebe meine Lebensziele zu opfern?
Ich erinnerte mich unverzüglich an die einschneidende Erfahrung drei Jahre zuvor in England. Damals wurde mir, ausgelöst durch ein schlechtes Charakterzeugnis des Leiters der Sprachschule, bewusst, dass mein Christsein wenig taugte. Mein Leben war einer halbvollen Cola-Flasche zu vergleichen. Die dunkle Flüssigkeit, hervorgerufen durch meinen Stolz und Eigensinn, musste reiner Luft Platz machen. Auch wenn Gott es wollte; er konnte mich nicht mit seiner Kraft und Liebe erfüllen. Ich musste zugeben, dass ich Gott nicht wirklich vertraute, dass er einen guten Plan für mein Leben hat. Ich hatte Angst er würde mich, wenn ich ihm die Leitung meines Lebens anvertraute, als Missionar nach Japan schicken. Nach tagelangem Ringen bekannte ich Gott in einem schlichten Gebet mein grundsätzliches Misstrauen ihm gegenüber und erklärte ihm meine Bereitschaft, meine beruflichen und sportlichen Karriereziele aufzugeben, wenn er einen anderen, besseren Plan für mein Leben hätte. Im Moment erlebte ich keine Veränderung. Als ich jedoch am nächsten Morgen aufwachte, spürte ich eine unbändige Freude. Ich bekam zudem den Mut, meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau einen Hochzeitsantrag zu machen. Meine Beziehung zu den Mitstudierenden veränderte sich grundlegend. Der gleiche Schulleiter stellte mir zum Abschluss meines Studiums ein ausgesprochen gutes Persönlichkeitszeugnis aus und schrieb, dass ich für die Schule ein grosser Gewinn gewesen sei.
Drei Jahre später sass ich nun dem Direktor der Süsswarenfirma gegenüber, der mich fragte, ob ich neben der Karriere im Geschäftsleben sonst noch etwas erreichen wollte. Ich wollte aber mein Leben nicht mit dem Verkauf von Zuckerstangen verbringen, sondern einen möglichst positiven Beitrag in der Gesellschaft leisten. Deshalb schlug ich das Traumangebot aus. Ein Tag nach den Abschlussexamen an der Universität nahm ich Zeit, um, inzwischen verheiratet, mit meiner Frau zusammen zu beten, welchen beruflichen Weg ich gehen sollte. Sollte ich direkt in den elterlichen Stickereibetrieb eintreten oder zuvor noch Erfahrungen in der Wirtschaft machen? So oder so wollte ich meinen Beruf nutzen, um ein Zeugnis für Christus zu sein. Am Vormittag erstand ich mir noch mehrere Wirtschaftsbücher, die nicht Prüfungsstoff waren. Ich habe diese nie gelesen, weil noch am gleichen Tag jemand von Campus für Christus anrief und mich fragte, ob ich bereit wäre, teilzeitlich im drei Jahre zuvor gegründeten Missionswerk mitzuarbeiten. Nachdem ich Campus für Christus kennengelernt hatte, entschied ich mich, meine beruflichen Karrierepläne aufzugeben und Mitarbeiter dieses Missionswerks zu werden.
Viele Jahre später kann ich sagen, dass dies der richtige Entscheid war. Als Leiter einer international tätigen Missionsorganisation kann ich miterleben, wie Gottes Liebe sich in vielfältiger Weise Bahn bricht und Menschen und Situationen zum Guten verändert, sei es durch Alphalive-Kurse, Familylife, EXPLO-Konferenzen, die Webseite Gottkennen.ch, die Studentenmission, den Kurs „Leben in Freiheit“, unsere evangelistische Jugendarbeit, Athletes in Action oder andere missionarische Initiativen. Gott hat mir gezeigt, dass es die Berufung unseres Landes ist, dass geistliche Flüsse von der Schweiz ins Ausland fliessen. In den vergangenen 25 Jahren durfte ich miterleben, wie missionarische Partnerschaftsdienste in vielen Ländern gestartet werden konnten, von Kuba, Afrika, über Russland, China, der Mongolei bis nach Nordkorea. Ganz besonders freut mich die Internetkooperation in Japan, die ein halbes Jahr vor der Umweltkatastrophe in die Wege geleitet wurde und durch die heute täglich unzählige japanische Menschen Hoffnung und einen Sinn im Leben finden. Gott hat mein Gebet damals in England ernst genommen.