Lisa Meier

Missbraucht und doch geliebt

Manche Dinge darf es einfach nicht geben, sie sind Tabus, man darf darüber nicht reden oder schreiben. Manche Sachen gibt es einfach nicht…

Ich war immer ein artiges Kind, lieb, nett, freundlich, zuvorkommend, gehorsam, fröhlich und hilfsbereit, wahrscheinlich soetwas wie ein christliches Bilderbuchkind. Es ging mir prinzipiell auch gut und ich hatte eine schöne Kindheit, wenn da nicht ein Freund unserer Familie gewesen wäre. Wir gingen in die gleiche Gemeinde, kannten uns schon lange und sahen uns mehrmals die Woche.

Als ich so 8 Jahre alt war, fing es an, dass er mich regelmäßig sexuell missbrauchte. Ich sagte nichts, weil ich viel zu viel Angst hatte, Angst dass ich die Familie, die Freundschaft oder unsere Gemeinde kaputt machen könnte. Ich schämte mich und dachte, dass ich selbst an dem Missbrauch Schuld wäre. Die Situationen waren einfach so schrecklich, dass ich nicht darüber reden konnte und ich verstand auch nicht, was er mit mir machte. Und so schwieg ich und litt im Stillen. Er kam immer wieder und missbrauchte mich, es war einfach nur schrecklich, aber ich konnte nicht darüber reden. Der sexuelle Missbrauch an sich endete, als ich so ca. 12 Jahre alt war, aber die Folgen hielten und halten an.

Jahrelang rannten meine Eltern mit mir von Arzt zu Arzt, versuchten verschiedene Schmerztherapien, Krankengymnastik und Medikamente, weil ich ab meinem 8. Lebensjahr Kopfschmerzen hatte. Am Anfang waren die Kopfschmerzen nur selten da, doch es wurde immer schlimmer und irgendwann kannte ich kein Leben ohne Schmerzen mehr. Ich hatte praktisch immer Kopfschmerzen und kein  Schmerzmittel und keine Maßnahme half. Niemand kam auf die Idee, dass die Kopfschmerzen ein Hilfeschrei meines Körpers waren und ich sexuell missbraucht wurde. Wir waren hilflos und verzweifelt, weil nichts meine Schmerzen lindern konnte. Viele Menschen beteten für mich und manchmal erschien mir Gott so fern und die Gebete so unnütz, weil er meine Kopfschmerzen nicht heilte und mein Gebet nicht so erhörte, wie ich es in der Situation gern gehabt hätte. Doch ich erlebte auch, dass Gott treu ist! Er ermutigte mich immerwieder neu und schenkte mir Kraft zum Überleben. Als ich 18 Jahre alt war, nach 10 Jahren chronischer Kopfschmerzen, fand ich eine Schmerztherapie, die mich von den Kopfschmerzen heilte, es war für mich ein riesiges Geschenk und Wunder. Jetzt im nachhinein frag ich mich manchmal, wie ich diese ganzen Schmerzen ausgehalten habe und kann nur sagen, dass es Gott war, der mich da durchgetragen hat.

Als Teeny zog ich mich zurück, ich hatte Selbstmordgedanken, weil mir mein Leben sinnlos erschien und ich nicht mehr diese Schmerzen erleben wollte. Nach außen zeigte ich dies natürlich nicht und die Fassade war so gut, dass mich die Leute für ein fröhliches, aufgewecktes Mädchen hielten. Allein mit Gott sprach ich über meine Gedanken und Gefühle und in dieser Zeit diskutierte ich viel mit Gott. Ich rang mit ihm und auch wenn ich ihn nicht verstand, erlebte ich, dass er mir Kraft und Durchhaltevermögen schenkte. Ohne Gott hätte ich diese Zeit sicher nicht durchgestanden, er gab mir Kraft und Trost. Eine sehr große Ermutigung war für mich 2.Korinther 12,9.

Erst mit dem Studium zog ich von zu Hause aus und ich lebte mich in der neuen Stadt auch schnell ein. Wieder spielte ich den Leuten vor, dass alles gut ist, dass ich ein unbeschwertes Leben hatte und es mir gut geht. Doch nach ein paar Semestern Studium habe ich dann eine Therapie begonnen, weil ich merkte, dass die Auswirkungen einfach zu krass sind und mein ganzes Leben beeinflussen. Als Folge des sexuellen Missbrauchs war ich schwer traumatisiert. In der Therapie konnte ich viele Dinge lernen und ich bin immernoch dabei zu lernen, denn soetwas kann man nicht einfach vergessen.

Bis heute hadere ich manchmal mit Gott, frage mich, warum er das zugelassen hat und habe Probleme, seine Liebe anzunehmen. Doch mittlerweile habe ich verstanden, dass er das Ganze auch nicht wollte und, dass er mit mir darüber weint und wütend ist, dass Mädchen und Jungen soetwas angetan wird. Es tut mir gut, wenn ich ehrlich zu Gott bin, ihm sage, was ich denke, fühle und nicht verstehe. ER kann damit umgehen und ermutigt mich immer wieder neu! Gott wollte sicher nicht, dass soetwas in meinem oder deinem Leben geschieht, aber er kann es benutzen um daraus etwas Gutes zu machen. Auch wenn es nicht immer einfach ist, weiß ich, dass Gott treu ist und mir zur Seite steht.  Er hilft mir jeden Tag neu, gibt mir Kraft zum Leben und ermutigt mich dran zu bleiben.

Vielleicht wunderst du dich über den Titel "Missbraucht und doch geliebt" und verstehst nicht, was ich damit meine. Von meinen Eltern, Geschwistern und Freunden habe ich Liebe erfahren, aber ich konnte sie nicht annehmen. Ich habe mich lange nicht als liebenswürdig empfunden, es kam mir so vor, als ob ich nicht liebenswürdig sei. Denn ich kam mir einfach so wertlos und beschmutzt vor, habe mir selbst dir Schuld gegeben. Es war ein langer Prozess für mich, die Liebe und Anteilnahme anderer Menschen zu akzeptieren und zu lernen, dass ich liebenswert bin. Und gleichzeitig bin ich, obwohl diese ganzen schlimmen Dinge passiert sind, auch von Gott geliebt. Auch das ist nicht immer einfach für mich anzunehmen. An Gottes Liebe zu mir, haben diese ganzen Sachen nichts geändert, denn Gottes Liebe bleibt, auch wenn wir nicht alles verstehen.

Das war jetzt nur ein ganz kleiner Einblick in mein Leben, schreib mir ruhig, wenn du Fragen hast oder du etwas Ähnliches erlebt hast! Trau dich, gerne höre ich dir zu! Ich bete, dass Gott dir den Mut und die Kraft gibt das Schweigen zu brechen und du Menschen begegnest, die dir glauben. ER möchte aus dem Scherbenhaufen deines Lebens etwas Wunderschönes machen.

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