Du bist genug
"Gott liebt dich so, wie du bist". Mit dieser Aussage bin ich quasi groß geworden. Meine Mutter hat mir von klein auf ihren christlichen Glauben vorgelebt und ich bin vom Kindergottesdienst zur Jungschar des ECs, später zum Teenkreis und dann zum Jugendkreis gegangen. Immer wieder habe ich dort gelernt, dass Gott alle Menschen liebt und das habe ich auch geglaubt. Aber ich habe nie darüber nachgedacht, was das wirklich konkret für mich bedeutet. Es war für mich eine Tatsache, die ich einfach nie hinterfragt habe.
Ein paar Wochen vor meiner Konfirmation fragte mich meine Mutter dann auf einmal: "Karina, möchtest du eigentlich wirklich konfirmiert werden?". Diese Frage hat mich total überrumpelt. Für mich war eigentlich immer klar gewesen, dass man sich als Christ konfirmieren lässt und da ich mein Leben schon seit "gefühlt immer" mit Gott gelebt habe, hatte ich die Möglichkeit, mich nicht konfirmieren zu lassen, nie in Betracht gezogen. Und gerade von Mama, die ja der wesentliche Grund dafür war, hätte ich nie erwartet, dass sie meine Konfirmation in Frage stellt. Aber sie wollte mich darauf hinweisen, dass meine Konfirmation meine eigene Entscheidung ist und dass ich diese auch bewusst treffen sollte. Dass ich nicht einfach machen sollte, "was man halt so macht", sondern dass ich mich selbst für oder gegen ein Leben mit Gott entscheiden sollte. Dieses Erlebnis hat dazu geführt, dass ich angefangen habe, über meinen eigenen Glauben nachzudenken. Darüber, was ich eigentlich glaube und ob ich persönlich alles, was mir andere Christen über Gott erzählen, auch so annehmen kann.
Nach meiner Konfirmation habe ich selbst zwei Jahre im Konfirmandenunterricht mitgearbeitet und anschließend meine Mitarbeit im Teenkreis angefangen. Irgendwann war es dann so weit, dass ich selbst Andachten geschreiben habe. Und in dieser Zeit, in der ich auf einmal diejenige war, die anderen von Gott erzählt hat, hat sich mein Nachdenken über meinen Glauben noch einmal stark verändert. Ich habe angefangen, zu überlegen, was hinter den Dingen steckt, die man schon als kleines Kind über Gott lernt. Denn erst, als ich diese Dinge an andere weitergeben wollte, habe ich bemerkt, dass ich ihren Sinn nie völlig verstanden hatte. Und das war besonders bei diesem einen Satz der Fall: "Gott liebt dich so, wie du bist".
Oft habe ich gedacht, ich bin nicht genug. Ich habe nie krasse Erlebnisse mit Gott gehabt, in denen er zu mir gesprochen oder sich mir gezeigt hat. Ich habe noch nie irgendeine große Andacht oder Predigt gehalten, nach der Menschen zu mir gekommen sind, mir ihr Herz ausgeschüttet und sich zu Jesus bekehrt haben. Und ich habe auch keine ergreifende Lebensgeschichte, die andere Menschen zum Schweigen und Nachdenken über Gott und die großen Fragen der Menschheit bringt. Stattdessen habe ich mich oft gefragt, ob ich überhaupt reiche, um irgendwem von Gott zu erzählen. Aber irgendwann habe ich verstanden, was hinter Gottes Liebe steckt, von der ich so oft gehört hatte. Und auch, wenn ich mir immernoch wünsche, so coole Ereignisse mit Gott zu erleben, kann ich damit jetzt viel besser umgehen. Denn ich habe verstanden, dass "Gott liebt dich so, wie du bist" nicht einfach bedeutet, es gibt einen Gott und der ist total lieb, denn er mag die Menschen. Ich habe verstanden, dass es bedeutet, dass ich genug bin. Egal, was ich leiste. Egal, wie gut ich reden kann oder wie gut ich im Umgang mit anderen bin. Egal wie gut meine Noten sind. Und auch egal, wie sehr mich andere mögen. Ich habe verstanden, dass ich genau so, wie ich gerade aussehe, was ich gerade mache und wie ich mich gerade fühle, von jemandem wertgeschätzt werde. Dass dieser jemand zu mir sagt: "Ich liebe dich, ohne dass du irgendwas dafür erreichen musst". Diese Gewissheit gibt mir heute total Kraft, weil ich einfach wissen darf, dass Gott eine Beziehung zu mir haben will und ich ihm wichtig bin. Ich brauche keine Angst haben, dass andere mehr leisten als ich, dass sie mal einen besseren Witz reißen, schöner aussehen oder mehr Zeit in Gott investieren, sodass er sie lieber mag als mich. Denn ich weiß, dass meine Beziehung zu Gott eine Sache zwischen ihm und mir ist und dass es ausreicht, dass ich einfach ich bin.