ERwählt statt verwählt
Gäbe es einen Preis für Mittelmäßigkeit, ich habe ihn gefühlt tausendmal gewonnen. Obwohl ich in einer wunderbaren, christlichen Familie aufgewachsen bin- gewollt, geliebt, behütet und Gott Zeit meines Lebens kenne, hatte ich lange Zeit das Gefühl zweite Wahl zu sein, geschaffen für die Ersatzbank.
Zweitbeste Freundin, nett aber ein bisschen langweilig, zu brav, nicht schön genug, unsicher, ängstlich, sprachlos bis stumm- so kam ich mir in meiner Jugend oft vor und habe andere um das beneidet, was ich nicht hatte. Ich hätte mir gewünscht zumindest eine Sache besonders gut zu können, aber stattdessen konnte ich vieles halb-mittelmäßig eben. Es war als würde ich für ewig in einem Ballsaal festhängen, in dem fast alle tanzen, nur ich sitze am Rand-Beobachterin eines Lebens, das an mir vorüberzieht. In einer Sache war ich allerdings richtig gut: nicht auffallen, es möglichst allen recht machen, ich war vor allem anderen angepasst. Ich habe mich von dem abhängig gemacht, was andere über mich denken, von mir erwarten und ich wollte unter keinen Umständen aus der Rolle fallen.
„ Brave Mädchen verändern nichts“ habe ich gelesen und mir gewünscht ich könnte mutig, verwegen, gefährlich, wild und voller Leben sein, stattdessen saß ich fest in einem Versteck, dass ich mir größtenteils selbst gebaut hatte. Und es hat nicht plötzlich geknallt und alles war gut.
Aber Gott hat angefangen und er tut es immer noch, so manche graumäusige Schicht von meinem Leben zu schleifen und darunter kommt so manches bunte, verrückte, laute, sanfte zum Vorschein. Und ich liebe das Bild von einem Schmetterling, der entdeckt, dass er nicht geschaffen ist, sein Leben lang eine Raupe zu sein oder im Kokon zu stecken, sondern irgendwann seine Flügel entfaltet und fliegt. Ich entdecke Veränderung passiert dort, wo Gott in mein Leben hineinspricht, wo er sagt: Du bist es wert! Du bist mir das Leben meines Sohnes wert! Du bist meine erste Wahl! In meinem Reich gibt es keine Ersatzbank, keine Mauerblümchen! Ich erlebe Verwandlung passiert dort, wo ich mir eingestehe, dass ich es nicht alleine schaffe, dass brave Mädchen genauso Vergebung brauchen, wo ich umkehre, meinem Blick zu ihm wende anstatt auf alle anderen zu schauen.
Und in der Bibel lese ich, er hat es zu allen Zeiten getan: Schönheit aus Asche und Staub, große Geschichten mit zerbrochenen Menschen, Heilwerden statt sich weiter wertlos fühlen, Freiheit genießen anstatt sich zu verstecken, Leben statt Tod, in Jesus, dem Anfänger und Vollender allen Lebens, dem Auferstandenen. Und ich darf seine Auferstehungskraft, seine Liebe in meinem Leben sehen, welch ein Privileg, ein Geschenk, das er auch dir anbietet. Was sagst du?
"Willst du mir dein Leben zur Verfügung stellen und unter Studenten von mir zu erzählen?", hat Gott mich letztes Jahr gefragt. Und ich dachte, da hat er sich wohl verwählt, da sollte er jemand aus der ersten Mannschaft mit den ausgeprägten Fähigkeiten nehmen. "Ich will aber Dich!", hat er gesagt. Da musste ich wohl auf den Mittelmäßigkeitspokal verzichten.